Das Jugendtheaterprojekt "Mölln nach Mölln" entwickelt BRANDMAL

BRANDMAL

Im November 2009 startete der Verein Miteinander leben e.V. ein offenes Jugendtheaterprojekt unter dem Titel „Mölln nach Mölln“. Unter Anleitung der Theaterpädagogen Nadeshda Gerdt und Annika Goos begannen 12 Jugendliche mit deutschen und türkischen Wurzeln damit, gemeinsam das Theaterspiel zu erlernen und auf diesem Weg ein eigenes Theaterstück zu entwickeln, welches sich mit der Thematik der Möllner Brandanschläge von 1992 befassen sollte. Zusammen haben die Jugendlichen über einen langen Zeitraum intensiv zu den Möllner Brandanschlägen recherchiert, Zeitzeugen befragt und hieraus im Rahmen des improvisierten Spiels ein Stück entwickelt, in dessen Mittelpunkt das Themenfeld „Ausgrenzung und Rassismus“ steht. „BRANDMAL“ nennen die Jugendlichen ihr Theaterstück. Diese gemeinsame Stückentwicklung war aus Sicht des Vereins Miteinander leben e.V. das vordringliche Ziel des Projektes, eine intensive Auseinandersetzung mit der Geschichte der Möllner Brandanschläge zu initiieren, die für die Jugendlichen aufgrund der zeitlichen Ferne tatsächlich wie ein historisches Ereignis wirken.

Die Dynamik der Jugendtheatergruppe reichte aber viel weiter und fünf der verbliebenen Laiendarsteller entwickelten den besonderen Ehrgeiz, ihr Theaterstück zur Bühnenreife zu entwickeln, um es im Dezember 2010 wirklich aufführen zu können.

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Das Jugendtheaterprojekt „Mölln nach Mölln“ des Vereins Miteinander leben e.V. hat Ende des vergangenen Jahres mit der Theateraufführung „BRANDMAL“ auf der Bühne der Gemeinschaftsschule Mölln zahlreiche jugendliche und erwachsene Zuschauer in seinen Bann ziehen können. Mit eindrucksvollen Spiel zeigten die fünf Darsteller, Selin Caliskan, Ercan Kök, Frida Maaß, Sina Plambeck und Aylin Yorganci, ihre Geschichte von Hanna, die sich als Mädchen mit rechtsextremen Neigungen von dem sympathischen Türken Ibo zu einem Einweihungsparty ihrer neuen türkischen Nachbarn einladen lässt. Dort kommt es aufgrund ihrer rechtsextremen Haltung zu einem Eklat der nachfolgend in eine stille Katastrophe mündet.

BRANDMAL

Die Jugendgruppe um die Theaterpädagogen Nadeshda Gerdt und Annika Goos berichtete nachfolgend dem Publikum, wie sie gemeinsam vor über einem Jahr den schwierigen Versuch gestartet haben, sich mit ihrem Theaterstück den Ereignissen der Möllner Brandanschläge zu nähern. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit diesem Themenkomplex in Form von Medienauswertungen und Zeitzeugeninterviews erwies sich dabei als belastend und zeigte allen Beteiligten, wie stark die Folgen der Brandanschläge viele Menschen in Mölln noch bewegen.

BRANDMALAus dieser Erkenntnis entwickelte die Theatergruppe den Wunsch, auf der Bühne einen würdevollen Umgang mit den Opfern der Tat zu finden, ein Anspruch, an dem das Theaterprojekt inhaltlich beinahe zu scheitern drohte.“, beschrieb Nadeshda Gerdt den Verlauf ihrer Arbeit. Erst spät reifte eine Idee, wie man sich den Geschehnissen der Nacht des 23. November 1992 nähern könnte, ohne ein Sensations- oder Betroffenheitstheater zu inszenieren.

Im Ergebnis ist eine subtile Darstellung entstanden, die in beeindruckender Weise zeigt, wie sich der Hass des Rechtsextremismus letztlich über mitmenschliches Handeln hinwegsetzt und heimtückisch den Tod im Schlaf bringt.

Das Publikum sowohl in den Schul- als auch bei den öffentlichen Aufführungen zeigte sich ein ums andere Mal von dem Theaterspiel sehr betroffen und nutzte nachfolgend die Möglichkeit zum Gespräch mit den Künstlern.

Angesprochen auf die Motivation, sich als Jugendlicher einer solchen Thematik zu stellen, antwortete Ercan Kök: „Ich dachte, ich kenne die Geschichte des Brandanschlages aus den Erzählungen meiner Eltern. Beim Gespräch mit einem Zeitzeugen merkte ich jedoch, dass er von einem zweiten brennenden Haus in der Ratzeburger Strasse berichtete. Ich kannte dieses zweite Haus gar nicht. Und wenn ich jetzt schon dieses Haus nicht mehr kenne, werden viele auch das eigentliche Haus bald vergessen haben. Die Geschichte muss weiter erzählt werden.“

BRANDMAL

Die Aufführungen des Theaterstückes BRANDMAL in der Aula der Gemeinschaftsschule Mölln wurden als Beitrag zum Schulprojekt „Schule ohne Rassismus“ dargeboten und mit einer Reihe von praktischen Theaterworkshops für Schulklassen unter der Anleitung von Theaterpädagogin Nadeshda Gerdt abgerundet.

Der Erfolg der gemeinsamen Arbeit und auch des Ergebnisses hat nachfolgend zu weiteren Anfragen für eine Aufführung geführt. So haben noch zwei Schulen in Mölln eine Aufführung erbeten und ebenso ein Jugendkongress in Salzgitter im Apirl 2011.

Das Theaterprojekt erfuhr im Noevember 2011 eine besondere Würdigung. Der Verein Gegen das Vergessen für Demokratie e.V. zeichnete die Arbeit der Jugendlichen und der Theaterpädagogen mit dem Waltraud-Netzer-Jugendpreis aus. Die Vereinsjury, bestehend aus Dr. h.c. Joachim Gauck, Eberhard Diepgen, Prof. Dr. Bernd Fauklenbach und Cornalia Schmalz-Jacobsen würdgigten mit ihrer Entscheidung die besondere Form zeitgeschichtlicher Aufarbeitung, die die Mitwirkenden gewählt haben, um sich mit den Brandanschlägen auf zwei Häuser von türkischen Familien im Jahr 1992 zu beschäftigen.