Das Jugendtheaterprojekt "Mölln nach
Mölln" entwickelt BRANDMAL
Die Dynamik der Jugendtheatergruppe reichte aber viel weiter und fünf der verbliebenen Laiendarsteller entwickelten den besonderen Ehrgeiz, ihr Theaterstück zur Bühnenreife zu entwickeln, um es im Dezember 2010 wirklich aufführen zu können.
Das Jugendtheaterprojekt „Mölln nach Mölln“ des Vereins Miteinander leben e.V. hat Ende des vergangenen Jahres mit der Theateraufführung „BRANDMAL“ auf der Bühne der Gemeinschaftsschule Mölln zahlreiche jugendliche und erwachsene Zuschauer in seinen Bann ziehen können. Mit eindrucksvollen Spiel zeigten die fünf Darsteller, Selin Caliskan, Ercan Kök, Frida Maaß, Sina Plambeck und Aylin Yorganci, ihre Geschichte von Hanna, die sich als Mädchen mit rechtsextremen Neigungen von dem sympathischen Türken Ibo zu einem Einweihungsparty ihrer neuen türkischen Nachbarn einladen lässt. Dort kommt es aufgrund ihrer rechtsextremen Haltung zu einem Eklat der nachfolgend in eine stille Katastrophe mündet.
Die Jugendgruppe um die Theaterpädagogen Nadeshda Gerdt und Annika Goos berichtete nachfolgend dem Publikum, wie sie gemeinsam vor über einem Jahr den schwierigen Versuch gestartet haben, sich mit ihrem Theaterstück den Ereignissen der Möllner Brandanschläge zu nähern. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit diesem Themenkomplex in Form von Medienauswertungen und Zeitzeugeninterviews erwies sich dabei als belastend und zeigte allen Beteiligten, wie stark die Folgen der Brandanschläge viele Menschen in Mölln noch bewegen.
„Aus
dieser Erkenntnis entwickelte die Theatergruppe den Wunsch, auf der
Bühne einen würdevollen Umgang mit den Opfern der Tat
zu finden,
ein Anspruch, an dem das Theaterprojekt inhaltlich beinahe zu
scheitern drohte.“,
beschrieb Nadeshda Gerdt den Verlauf ihrer Arbeit. Erst spät
reifte
eine Idee, wie man sich den Geschehnissen der Nacht des 23. November
1992 nähern könnte, ohne ein Sensations- oder
Betroffenheitstheater
zu inszenieren.
Im
Ergebnis ist eine subtile Darstellung entstanden, die in
beeindruckender Weise zeigt, wie sich der Hass des Rechtsextremismus
letztlich über mitmenschliches Handeln hinwegsetzt und
heimtückisch
den Tod im Schlaf bringt.
Das
Publikum sowohl in den Schul- als auch bei den öffentlichen
Aufführungen zeigte sich ein ums andere Mal von dem
Theaterspiel
sehr betroffen und nutzte nachfolgend die Möglichkeit zum
Gespräch
mit den Künstlern.
Angesprochen auf die Motivation, sich als Jugendlicher einer solchen Thematik zu stellen, antwortete Ercan Kök: „Ich dachte, ich kenne die Geschichte des Brandanschlages aus den Erzählungen meiner Eltern. Beim Gespräch mit einem Zeitzeugen merkte ich jedoch, dass er von einem zweiten brennenden Haus in der Ratzeburger Strasse berichtete. Ich kannte dieses zweite Haus gar nicht. Und wenn ich jetzt schon dieses Haus nicht mehr kenne, werden viele auch das eigentliche Haus bald vergessen haben. Die Geschichte muss weiter erzählt werden.“
Die
Aufführungen des Theaterstückes BRANDMAL in der Aula
der
Gemeinschaftsschule Mölln wurden als Beitrag zum Schulprojekt
„Schule ohne Rassismus“ dargeboten und mit einer
Reihe von
praktischen Theaterworkshops für Schulklassen unter der
Anleitung
von Theaterpädagogin Nadeshda Gerdt abgerundet.
Der Erfolg der gemeinsamen Arbeit und auch des Ergebnisses hat nachfolgend zu weiteren Anfragen für eine Aufführung geführt. So haben noch zwei Schulen in Mölln eine Aufführung erbeten und ebenso ein Jugendkongress in Salzgitter im Apirl 2011.
Das Theaterprojekt erfuhr im Noevember 2011 eine besondere Würdigung. Der Verein Gegen das Vergessen für Demokratie e.V. zeichnete die Arbeit der Jugendlichen und der Theaterpädagogen mit dem Waltraud-Netzer-Jugendpreis aus. Die Vereinsjury, bestehend aus Dr. h.c. Joachim Gauck, Eberhard Diepgen, Prof. Dr. Bernd Fauklenbach und Cornalia Schmalz-Jacobsen würdgigten mit ihrer Entscheidung die besondere Form zeitgeschichtlicher Aufarbeitung, die die Mitwirkenden gewählt haben, um sich mit den Brandanschlägen auf zwei Häuser von türkischen Familien im Jahr 1992 zu beschäftigen.